Olympisches Boxturnier: Nelvie Tiafack mit Medaillenchance!

Nelvie Tiafack Ist der einzige noch im olympischen Turnier verbliebene deutsche Boxer, der eine Chance hat vielleicht um die Bronze-Medaille zu boxen, denn wenn er seine ersten beiden Kämpfe gewinnt, trifft er im Halbfinale auf den übermächtigen Bakhodir Jalalov.

Aus drei mach eins: so könnte das Motto des Deutschen Boxsport-Verbands (DBV) lauten. Unfreiwillig, wohlgemerkt. Denn vom olympischen DBV-Trio konnte sich in der Auftaktrunde nur einer durchsetzen: der Superschwere Nelvie Tiafack (über 92 Kg).

Der Superschwere DBV-Athlet Nelvie Tiafack hat im Viertelfinale den Italiener Diego Lenzi vor den Fäusten. Dem Sieger winkt die Bronzemedaille – mindestens.

Zuvor waren die Halbfliegengewichtlerin Maxi Klötzer (bis 50 Kg) und der Halbmittelgewichtler Magomed Schachidov (bis 71 Kg) aus dem Turnier in Paris ausgeschieden. Tiafack hatte sich am Montagmittag bravourös geschlagen und den starken Aserbaidschaner Mahammad Abdullayev in die Schranken verwiesen. Einstimmiger 5:0-Punktsieg (30:27, 29:28, 29:28, 30:27, 29:28). Klare Kiste also.

Nelfie Tiafack vs. Mahammad Abdullayev / Foto: Screenshot sportschau.de

Nun hat der Musterathlet vom SC Colonia 06 Diego Lenzi vor den Fäusten. Der Italiener Lenzi setzte sich gegen den ambitionierten Amerikaner Joshua Edwards in einem engen Fight durch, Split Decision (3:1 – 30:26, 27:29, 29:27, 29:27, 28:28). Etwas überraschend. War der US-Boy aus Housten, Texas, doch in seinem Limit an Nummer 1 gesetzt. Edwards hatte im vergangenen Jahr bei den Panamerikanischen Spielen in der chilenischen Hauptstadt Santiago de Chile Gold geholt.

Nur, Meriten, die zurückliegen, besagen wenig über aktuelle Kampfkraft und Form. Dabei ließ der Texaner nichts unversucht, seiner Favoritenrolle gerecht zu werden. Oft vergeblich. Reichweitenvorteil, Dauereinsatz der Führhand, aber Lenzi war kaum in Schach, auf Distanz zu halten. Im Gegenteil, der 23-jährige Bologneser agierte aus einer stabilen Doppeldeckung heraus, ackerte am Mann, suchte und fand die Lücken – und platzierte seine harten, rechten Haken. Zu allem Überdruss wurde Edwards vom kasachischen Ringrichter in der zweiten Runde wegen tiefen Kopfes verwarnt, Punktabzug. Damit war die Niederlage bei der Olympiapremiere für den Superschweren aus dem US-Team besiegelt. Lenzis Viertelfinaleinzug wiederum ist ein Fingerzeig, ein Achtungserfolg. „Ich bin sehr zufrieden, dass ich einen so renommierten Gegner besiegt habe“, sagte er nach dem Fight in der North Paris Arena.

Was heißt das für Tiafack? Obacht! Der Deutsche hatte sich wie sein italienischer Kontrahent das Olympia-Ticket bei der ersten Weltqualifikation im lombardischen Busto Arsizio im März geholt. Beide eint noch etwas: Sie sind gewissermaßen die Übriggebliebenen ihrer Nationen. Italien hatte sogar acht Faustkämpferinnen und Faustkämpfer im Klassement. „Ich bin der einzige Italiener, der noch im Wettbewerb ist, und das motiviert mich“, wurde Lenzi am Montag auf dem Online-Portal Sport.quotidiano.net zitiert.

Motiviert war Lenzi nicht immer. Sinnkrise, Perspektivlosigkeit prägten bisweilen seine junge Karriere. Mit 19, 20 Jahren wollte er alles hinschmeißen, gestand er unlängst im Gespräch mit Corriere dello Sport. Als Koch, als Fabrikarbeiter hat er sich durchgeschlagen. Bis ihm klar wurde, dass er so nicht enden wolle. Schließlich erinnerte er sich an seine athletischen Sekundärtugenden: Leidenschaft, Ausdauer, Entschlossenheit. Eine Art Dreiklang, würdig für einen „Italienischen Hengst“, wie er sich gerne selbst betitelt. Und um markige Worte ist Lenzi nie verlegen. Der, der mit einer Französin liiert ist, will in der Heimatstadt seiner Schwiegereltern seinen güldenen Triumph feiern, verriet er jüngst der italienischen Tageszeitung La Republica. Die Marschroute, wenig überraschend: „Ich gebe dafür 100 Prozent und gehe keinen Schritt zurück.“ Das dürfte ganz nach dem Geschmack seines Trainer-Duos Emanuele Orlando und Emanuele Renzini sein. Lenzi, einer, der sich im Ring dem Fight sprichwörtlich stellt; vorzugsweise mit seiner schärfsten Waffe, dem Hammerhaken.

Vielleicht das noch. Lenzi hat ein Vorbild, einen Mentor: Roberto Cammarelle. Dreimaliger Olympiateilnehmer, dreimaliger Medaillengewinner. Bronze 2004 in Athen, Gold 2008 in Peking, Silber 2012 in London. Eine Bilanz, die Lenzi beeindruckt – und wohl nicht nur ihn. Daran anzuschließen, sein Ziel.

Eines, was Tiafack wiederum durchkreuzen will. Übrigens: DBV-Dauerkonkurrent Nikita Putilov konnte Lenzi bereits bezwingen. Im vergangenen November im Viertelfinale bei der Europameisterschaft der U22, ein 4:1-Punktsieg für den Leipziger.

Davon unabhängig, Tiafack: „Ich will auf jeden Fall auf dem Podest stehen“, hatte der 25-Jährige kürzlich im SID-Interview gesagt, „und ich bin auch sehr zuversichtlich, dass ich das erreichen werde.“ Dazu ist er im Stande, keine Frage. Und Ansporn genug ist die Aussicht auf olympisches Edelmetall. Der Sieger hat Bronze sicher, steht im Halbfinale. Kurzum, mitfiebern: Morgen, Freitag, 2. August, 17:38 Uhr, Live im Stream.

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